NACHLASS WILHELM OHM

Wilhelm Ohm (1905 Stettin – 1965 Hamburg), Maler, Zeichner, Bildhauer und Architekt, strebte in klassischer Allseitigkeit nach einer „Universitas“ der Künste. Trotz einschneidender Unterbrechungen seiner künstlerischen Arbeit durch Nazizeit und Krieg hat er ein umfangreiches bildnerisches Gesamtwerk hinterlassen.
Der Nachlass gliedert sich in drei Werkgruppen :

  1. die Zeichnungen der zwanziger Jahre. Stilistisch zwischen Neuer Sachlichkeit und Surrealismus, spiegeln sie collage-artig das Lebensgefühl einer jungen Generation in Berlin nach dem Ende des ersten Weltkriegs.
  2. Bilder und Zeichnungen von geradezu explosiver Expressivität, in denen der Künstler nach 1945 die für sein kreatives Schaffen verlorenen Jahre nach 1933 aufholen wollte. Das Gefühl von Aufbruch und entfesselter Freiheit findet in intensiven Farben und Formen ihren vitalen künstlerischen Ausdruck.
  3. Ein nachimpressionistisches Spätwerk. Das Expressive der Bilder wandelt sich im Verlauf der fünfziger Jahre zu einer immer differenzierteren Palette und atmosphärischer Gesamtwirkung. „Eine Auflösung von Farbe und Licht mündet – trotz rationaler Erwägungen– in Spiegelbilder arkadischer Lebensfreude“, die Hans Werner Grohn so treffend als Ausdruck der „musikalischen und bildnerischen Komponente im Wesen des Künstlers Wilhelm Ohm“ bezeichnet hat.

Rainer Zimmermann, der sich intensiv mit den Künstlern der „verschollenen Generation“ auseinandergesetzt hat, interpretiert ihr Anliegen als Suche nach Wahrheit und kreiert, den Beobachtungen Schmalenbachs folgend, den Begriff des „Expressiven Realismus“. Zimmermann bezeichnet damit die deutsche Kunst in den Jahrzehnten um die Mitte des 20. Jahrhunderts, die mit den Mitteln realistischer Malerei, im Bewusstsein der Errungenschaften des Expressionismus und der modernen Kunst, eine „existentielle Antwort“ auf die umwälzenden Erfahrungen der ersten Jahrhunderthälfte sucht.
In Ohms späterem Oeuvre nimmt das Thema „Meer“ eine zentrale Rolle ein. Zwischen 1946 und 1965 schuf der Künstler zahlreiche Öl- und Temperabilder sowie Pastelle, in denen er immer wieder Eindrücke von Nord- und Ostsee, das Brodener Ufer, Hallig Ohland, Amrum und vor allem Sylt vor Ort und dann anschließend im Atelier umgesetzt. hat. In den Meerbildern aus der Zeit um 1950 fasst Ohm das „Ewige“ der Schöpfung in visionären Kompositionen, großflächig, in ungewöhnlicher Farbigkeit und in kühnen Achsen zusammen. Die schöne Unwirtlichkeit dieser Landschaften schließt den Menschen meist aus.
Leitlinien von Wilhelm Ohms Beschäftigung mit dem Verhältnis von Natur und Kunst sind zum Beispiel die Dichtungen Hölderlins sowie die naturphilosophischen Schriften Jean Gebsers. Für seine Auseinandersetzung mit dessen Begriff des „bewegten Sehens“ erschien ihm die Pastelltechnik als das ideale bildnerische Mittel.

Birgit Götting


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